Taltentierter Degenfechter ist Schüler des GSG

„Zehnmal so schnell wie Schach“

Michael Trebis hofft, dass die Kadetten-WM in Seattle nachgeholt wird. © Trebis

Michael Trebis vom Mannheimer Fechtclub hat mit seiner EM-Teilnahme Lust auf mehr bekommen

Mannheim. Die Saison 2019/2020 sollte das Jahr des Michael Trebis werden. Vorläufiger Höhepunkt war im Februar sein Debüt bei der Kadetten-EM in Kroatien. Auch wenn bei seiner ersten internationalen Meisterschaft nicht alles nach Plan lief, gehören die Eindrücke von Porec zu den bisher nachhaltigsten im Leben des 16-jährigen Degenspezialisten vom Mannheimer Fechtclub.

„Die EM war ein tolles Erlebnis. Ich bin nicht gleich in der Vorrunde herausgefallen und habe gemerkt, dass ich mit vielen mithalten kann“, kann er inzwischen auch verschmerzen, dass er noch Lehrgeld zahlen musste. „Ich wäre im Einzel gerne noch weitergekommen, auch mit der Mannschaft war mehr drin“, beurteilt er die Ränge 74 und 18.

Nach dem Motto „Jetzt erst recht“ bereitete er sich danach umso intensiver auf seine WM-Premiere Anfang April vor, nahm dazu auch das Angebot des Deutschen Fechter-Bundes (DFB) in Anspruch, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten. Doch dann stoppte die Corona-Pandemie alle Pläne des dreifachen Landesmeisters und zweifachen DM-Bronzemedaillengewinners. „Ich hatte ab Herbst 2019 eine Leistungsexplosion“, hoffte die Nummer zwei der deutschen Rangliste nach Erfolgen bei stark besetzten internationalen Turnieren in Budapest (69.) oder Klagenfurt (28.) in seinem letzten Kadettenjahr nicht nur auf ein gutes Abschneiden bei der WM in Seattle (USA), sondern wollte bei der DM im Mai auch seine Titelchance wahrnehmen. Beide Veranstaltungen wurden abgesagt, nun bleibt allein die Hoffnung, dass sie nachgeholt werden, bevor Trebis zu den Junioren wechseln wird. Denn erfahrungsgemäß müssen sich die jüngsten von drei Jahrgängen erst einmal hinten anstellen. Immerhin wird es dann eine finanzielle Erleichterung geben. „Kadetten erhalten vom Verband noch keine Förderung, müssen alle Turniere selbst bezahlen. Meine Eltern sind meine größten Sponsoren“, verlief seine Suche nach Unterstützern bisher vergeblich. „Die Junioren bekommen wenigstens etwas, richtige Sportförderung gibt es erst für die Aktiven.“

Faszination für den Degen

Egal was kommt: Die Faszination für das Degenfechten bleibt. „Ich war fünf, da habe ich im Schwimmbad einen Flyer des Mannheimer Fechtclubs gesehen und wollte sofort hin. Doch ich war noch zu jung und nervte meine Eltern drei Jahre lang.“ Mit seinem achten Geburtstag stellte er sich 2011 beim MFC vor und begann – wie alle Einsteiger – mit dem Florett. „Ich wollte aber schon immer den Degen, auch wenn das Fechten doch nichts mit dem Schwertkampf zu tun hatte, den ich mir vorgestellt hatte.“ Schon nach sechs Monaten spezialisierte er sich auf die Stichwaffe, die – im Gegensatz zu Florett und Säbel – Treffer auf dem ganzen Körper erlaubt. Zwar testete Trebis in den Mannheimer Sportwochen auch andere Disziplinen, doch nichts faszinierte ihn so wie das Fechten. „Es ist dynamisch, elegant, wird über Kopf und Technik entschieden“, unterschreibt er die Definition: „Fechten ist wie Schach – nur zehnmal so schnell.“

Viermal pro Woche trainiert er drei Stunden in Mannheim oder Heidelberg, dazu läuft er einmal zwischen zehn und 20 Kilometern und arbeitet regelmäßig an seiner Kraft. „Ich führe ein Doppelleben“, braucht er eine klare Struktur, eine Trennung zwischen Sport und Schule. Die dauert für den Elftklässler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums immer bis 16.15 Uhr. Da er selten vor 21 Uhr zu Hause ist, versucht er, alle Hausaufgaben bereits in der Schule zu erledigen. Obwohl er in keinem ausgewiesenen Sportgymnasium ist, fühlt er sich gut unterstützt. „Ich erhalte alle Freistellungen und Fristverlängerungen, die ich brauche. Ein Jahr vor dem Abi mache ich keine Experimente mehr“, kommt ein Wechsel auch nicht in Frage. Der gute Schüler, der außer Sport Chemie Mathe und Biologie zu seinen Lieblingsfächern zählt und später einmal „irgendwas Naturwissenschaftliches“ studieren will, freut sich – obwohl er durch den Sport das Lernen nach Unterlagen gewohnt ist –, wenn die Schulen wieder öffnen.

Ebenso ersehnt er die Rückkehr auf die Planche, denn er liebt nicht nur Turniere, sondern auch die Vorbereitung: „Was man im Training nicht übt, kann man im Wettkampf nicht abrufen“, lautet die Maxime des Nachwuchs-Bundeskadermitglieds, das seine Stärken und Schwächen gut einschätzt: „Ich bin ehrgeizig, was ich mir in den Kopf gesetzt habe, will ich durch konzentrierte Arbeit auch erreichen. Aber ich werde auch schnell unruhig, wenn etwas nicht klappt. Das ist Kopfsache“, vertraut er künftig auf die Hilfe seines Sportpsychologen.

  • Michael Trebis wurde am 9. Dezember 2003 in Mannheim geboren, wohnt in Käfertal und besucht die 11. Klasse des Geschwister-Scholl-Gymnasiums auf der Vogelstang.
  • Seit 2011 ist er Mitglied im Mannheimer Fechtclub, hat sich schon früh auf den Degen spezialisiert und wird seit vier Jahren vom ehemaligen Bundestrainer Martin Heidenreich trainiert.
  • Er gehört dem Nachwuchsbundeskader an, ist Zweiter der deutschen Rangliste der Kadetten (U 17), dreifacher Landesmeister, gewann DM-Bronze im Einzel und mit dem Team, nahm im Februar an seiner ersten EM teil und hatte sich für die abgesagte WM im April qualifiziert. sd

 

© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 06.05.2020, Serie zum Lokalsport Mannheim, Sibylle Dornseiff (sd)

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