Preisverleihung der Aktion „Stadtradeln“
Wettbewerb stachelt zum Radeln an
Von Juli auf September verschoben, ausschließlich geladene Gäste, und nur jede zweite Reihe darf besetzt werden – als jetzt auf der Seebühne im Luisenpark die Preisverleihung der Aktion „Stadtradeln“ gefeiert wird, ist einiges anders. Doch auf eine Würdigung aller Teilnehmenden soll trotzdem nicht verzichtet werden. Die Seebühne wird sogar musikalisch bespielt: Die Coverband The Chaotics aus Schwetzingen motiviert das Publikum mit bekannten Stücken wie „Valerie“ von Amy Winehouse oder „Happy“ von Pharell Williams zum Mitklatschen.
„Die Aktion ,Stadtradeln’ gab es jetzt schon zum dritten Mal in Mannheim. Da kann man schon fast von einer Tradition sprechen“, findet Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne), die mit Pia Kempe von der Stadtverwaltung durch den Abend führt. Drei Wochen lang, vom 27. Juni bis zum 17. Juli, haben mehr als 2100 Mannheimerinnen und Mannheimer in Teams oder alleine fast 462 000 Kilometer auf dem Rad gesammelt – für eine Gleichberechtigung des Fahrrads im Straßenverkehr und für die Umwelt.
Mängel im Wegenetz
Ein Blick in die Reihen zeigt: Hier haben die unterschiedlichsten Menschen mitgemacht. „Wir arbeiten im Uniklinikum und haben über eine Rundmail vom Stadtradeln erfahren“, erzählt Tonja Zakrzewski, die gemeinsam mit Arbeitskollegin Manon Spaniol da ist. „Ich fahre schon immer viel Rad, aber es war ein Ansporn, das Auto auch mal bei längeren Strecken stehenzulassen oder statt den Öffentlichen das Rad zu nehmen“, findet Spaniol. Angespornt hat auch der interne Wettbewerb in der Klinik: „Da ging es schon darum, wer die beste Gruppe ist. Wir arbeiten in der Strahlentherapie und gerade mit den Anästhesisten war das so ein Ding“, schmunzelt Zakrzewski. Sie hat innerhalb der drei Wochen knapp 500 Kilometer zurückgelegt. Dabei fällt aber auch auf, wo bei der Radinfrastruktur noch Verbesserungsbedarf besteht: „Es kommt vor, dass Radwege plötzlich aufhören. Auf dem Weg zum Hauptbahnhof ist man dann auf einmal mitten auf einer vierspurigen Straße“, so Zakrzewski.
Andere Teilnehmende sind ganz ihrer Meinung: Luisa Müller, Lehrerin an der Eugen-Neter-Schule für geistige Entwicklung auf der Blumenau, kritisiert: „Mannheim ist im Vergleich zu anderen Städten noch nicht sehr fahrradfreundlich. Bei Baustellen muss man zum Beispiel oft auf die Straße ausweichen.“ Auf der Blumenau gibt es aber noch ein anderes Problem, das die Schulgemeinschaft schon lange stört und das sogar schon im Gemeinderat vorgebracht wurde: Ein sicherer Radweg zur Schule fehlt (wir berichteten). „Die Schülerinnen und Schüler sind auf den Bus angewiesen, weil zur Schule nur ein Trampelpfad führt.“ Aber: Dieser Umstand wird zur Motivation für die ganze Schule. Eltern, Schüler und Kollegium erradeln gemeinsam den ersten Platz in der Kategorie „Bestes Team absolut“. Ganze rund 31 000 Kilometer haben sie gemeinsam zurückgelegt. „Was für ein tolles Engagement in der Radverkehrsförderung“, lobt Bürgermeisterin Kubala. „Und eure Forderung ist angekommen: Der Radweg zur Schule und die Anbindung ans Radverkehrsnetz in die Stadt sind in Planung.“
Das freut besonders Elternsprecher Fritz Sütterlin. „Autos haben so oft immer noch Vorrang, und das ist ein starkes Zeichen.“ Die Aktion hat ihm viel Spaß gemacht. Dass die Motivation nicht nachgelassen hat, liegt für ihn vor allem an der „Stadtradeln“-App, mithilfe derer die geradelten Kilometer genau aufgezeichnet werden. „Da sieht man dann immer, wie viel man selbst geschafft hat und wo die anderen stehen.“
Ivana Strobl stimmt ihm zu. Die 16-Jährige besucht das Geschwister-Scholl-Gymnasium auf der Vogelstang und hat unverhofft einen der 25 Preise gewonnen, die unter allen Teilnehmenden per Zufall verlost wurden. „Ich habe schnell gemerkt, wie praktisch Fahrradfahren eigentlich ist, weil man super schnell von A nach B kommt“, berichtet sie. „Aber die Verbindungen sind manchmal echt blöd. In der Innenstadt wird man oft von Autos angehupt, gerade Richtung Hauptbahnhof“. Auch Kubala gibt zu: „Da ist noch Luft nach oben. Aber gerade wurden im Gemeinderat noch neun Millionen Euro draufgelegt. Wir wollen mehr Tempo beim Ausbau der Radwege“.
© Mannheimer Morgen, Dienstag, 22.09.2020 © Johanna Dörsam